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Auf „Chakaria“ nach Paris

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André Thieme über die Qualifikation zu den Spielen in Paris, seine Vorbereitungen auf den Saison-Höhepunkt, seine Stute Chakaria und die Zielstellung für Paris aus deutscher Sicht im Gespräch mit Dr. Marko Michels

„Eine Medaille ist Wunsch und Ziel!“

Frage: Paris ist nicht mehr weit. Welche Hürden sind bis dahin noch zu nehmen?
 
André Thieme: Die Tournee in den USA im März war ja überaus erfolgreich, wobei insbesondere der Erfolg mit Chakaria beim Hauptspringen in Ocala herausragt, denn es war zugleich der erste Sieg nach der längeren verletzungsbedingten Pause von Chakaria. Aber nun stehen die entscheidenden Prüfungen in Blickrichtung Olympia 2024 an. Laut Bundestrainer Otto Becker müssen wir uns bei den kommenden drei Turnieren in Hagen am Teutoburger Wald, in Hamburg und in Sankt Gallen beweisen. Das Dressur- und Springturnier "Horses & Dreams" in Hagen ist dabei ein Drei-Sterne-Springturnier, das vom 24. bis 28. April stattfinden wird. Dann folgt das Deutsche Spring- und Dressur-Derby in Hamburg, ein Fünf-Sterne-Turnier auf höchstem Niveau, vom 8. bis 12. Mai. Vom 30. Mai bis 2. Juni gilt es, beim CSIO in Sankt Gallen (auch ein Fünf-Sterne-Turnier) erfolgreich zu bestehen. Wer sich bei diesen drei Turnieren bewährt, wird letztendlich für den Nationenpreis beim CSIO vom 19. bis 23. Juni in Rotterdam nominiert – und nach Rotterdam fällt der Bundestrainer die finale Entscheidung, wer für die Olympischen Spiele in Paris Berücksichtigung finden wird.
 
Frage: Einen Bonus als Europameister von 2021 gibt es also nicht?
 
André Thieme: Natürlich schaut der Bundestrainer schon auf erfolgreich bestrittene Turniere in der Vergangenheit. Aber letztendlich zählt die Gegenwart, das aktuelle sportliche Können. Chakaria war, wie erwähnt, ja längere Zeit verletzt, weshalb wir die EM 2023 in Mailand verpassten. Und nun müssen wir uns ebenfalls neu beweisen.

Frage: Wie sieht jetzt die Vorbereitung auf die kommenden Turniere aus?
 
André Thieme: Wir hatten jetzt nach der US-Tournee sechs Wochen Pause. Da war vor allem Konditions- und Krafttraining angesagt. Dazu natürlich auch noch Springtraining. Es ist ein Mix aus Regeneration und einem Halten des hohen Leistungslevels. 
 
Frage: Angenommen alles wird gut, die Qualifikation für Paris wird geschafft. Wie sieht dann der Fahrplan zu Olympia aus?
 
André Thieme: Das macht jeder Springreiter unterschiedlich. Sicherlich werden einige sich für Regeneration und leichtem Training entscheiden, um das Leistungsniveau zu halten. Andere, so auch ich, werden zumindest an kleineren Turnieren teilnehmen. Aber auch bei mir und Chakaria wäre es nach Rotterdam eine Mischung aus Regeneration und Leistungsniveau halten. Ob das CHIO in Aachen Ende Juni/Anfang Juli mitgenommen wird, zumindest auf den Olympia-Pferden, ist derzeit noch nicht entschieden.
 
Frage: Was zeichnet aus Ihrer Sicht Chakaria aus? Wie ist das Zusammenspiel mit ihr?
 
André Thieme: Chakaria ist schon sehr speziell, man muss sich das Zusammenspiel mit ihr hart erkämpfen. Sie ist mitunter ein "echter Feuerstuhl" – im positiven Sinne! Sie ist eine einzigartige Stute, mitunter "übermotiviert", ein echtes Championatspferd. Das bedeutet, sie ist nicht nur einmal, an einem bestimmten Tag X, sehr erfolgreich, sondern sie kann höchstes Leistungsniveau über mehrere Tage abrufen – gerade bei Meisterschaften, wie EM oder WM, oder bei olympischen Reitwettkämpfen dauern die Prüfungen/Entscheidungen über mehrere Tage. Da ist es entscheidend, beständig auf höchstem Niveau zu bleiben. Diese Gabe, dieses Talent hat Chakaria. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal von ihr!
 
Frage: Dann in Paris... Was wären die sportlichen Ziele?
 
André Thieme: Wenn man als Reitsportlerin oder Reitsportler von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung zu den olympischen Wettkämpfen nominiert wird, dann erwartet diese auch Medaillen. Vor zwanzig Jahren und länger zurück waren Goldmedaillen im Dressur- und Springreiten fast schon Pflicht. Aber die Reitsport-Welt hat sich geändert. Andere Nationen haben aufgeholt, die Leistungsdichte ist enorm und auch die deutschen Dressur-Asse müssen um ihre Goldmedaillen kämpfen. Bei uns Springreiterinnen und Springreitern ist es schon so, dass beim Nationenpreis zehn bis zwölf Mannschaften um Gold wetteifern können. Hinzu kommt, dass es kein Streichergebnis mehr gibt und nun alle Reiterinnen/Reiter bestmögliche Ergebnisse erzielen müssen, um eine Chance auf Edelmetall zu haben! Eine Medaille ist jedoch auf jeden Fall ein Wunsch und ein Ziel!
 
Vielen Dank, großes Daumendrücken für die kommenden Turniere - und dann maximale Erfolge in Paris!
 

Pferdesportliche Traditionen – insbesondere aus M-V-Sicht

Deutschland hat ohnehin eine große olympische Tradition im Springreiten, gab es doch Einzel-Gold für Kurt Hasse auf „Tora“ 1936 in Berlin, für Hans-Günter Winkler auf „Halla“ 1956 in Stockholm, für Alwin Schockemöhle auf „Warwick Rex“ 1976 in Montreal, für Ludger Beerbaum auf „Classic Touch“ 1992 in Barcelona und für Ulrich Kirchhoff auf „Jus de Pommes“ 1996 in Atlanta.
 
Beim „Preis der Nationen“, dem olympischen Mannschaftswettbewerb im Springreiten, waren die Deutschen achtmal die Besten: 1936 in Berlin, 1956 in Stockholm, 1960 in Rom, 1964 in Tokyo, 1972 in München, 1988 in Seoul, 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney.
 
Olympische Erfolge im Reitsport verzeichnete indes auch M-V – zwar nicht im Springreiten, aber in der Dressur und in der Vielseitigkeit (früher Military).

Unser Bundesland hat mit Carl-Friedrich von Langen, den zweifachen Dressur-Olympiasieger von 1928 aus Parow bei Stralsund, und Ludwig Stubbendorff, dem zweifachen Vielseitigkeits-Olympiasieger von 1936 aus Turloff bei Dabel, nicht nur zwei ganz herausragende Reitsportler hervorgebracht, sondern auch weitere Reitsportler mit olympischen Ehren.
 
Olympisches Dressur Gold geht nach Vorpommern – Freiherr von Langen siegte vor fast 100 Jahren
 
Die erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen für die Region des heutigen Mecklenburg-Vorpommern gewann am 11. August 1928 in Amsterdam der Dressur-Reiter Carl Friedrich Freiherr von Langen. 1887 in Klein Belitz zur Welt gekommen, wirkte er vorwiegend im vorpommerschen Ort Parow (bei Stralsund/Provinz Pommern).
 
In einem der hochklassigsten Dressur-Wettbewerbe der olympischen Geschichte verwies von Langen mit seinem Pferd “Draufgänger” mit 237,42 Punkten den Franzosen Charles Marion auf “Linon” (231 Punkte) und den Schweden Ragnar Olson auf “Günstling” (229,78 Punkte) auf die Ehrenplätze. Von Langen beherrschte dabei die zweitägige Dressur-Entscheidung (am 10. und 11. August 1928) – deutlicher als alle seine Vorgänger seit 1912.
 
Die Team-Wertung, die bei den Spielen 1928 in Amsterdam olympische Premiere feierte, wurde ebenfalls von der deutschen Mannschaft mit von Langen an der Spitze vor Schweden und den Niederlanden gewonnen. Errechnet wurde diese aus den Punktzahlen der drei teilnehmenden Reiter jedes Landes. Von Langen war mit seinen beiden olympischen Goldmedaillen einer der erfolgreichsten Athleten. Er war ein ausgezeichneter Reitsportler, der in den Folgejahren sehr viel nationale und internationale Anerkennung genoss.
 
Entwicklung nach Amsterdam 1928
 
Nach Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wurde versucht, den im ersten Weltkrieg verwundeten deutschen Patrioten von Langen zu vereinnahmen. In dem NS-Propagandafilm “Reitet für Deutschland” spielte er zwar eine Hauptrolle: Gleichwohl nahm er auch weiterhin an internationalen Wettbewerben im Dressurreiten, Jagdspringen und sogar in der Military teil; zu seinen olympischen Konkurrenten von 1928 pflegte von Langen freundschaftliche Kontakte.
 
Alle weiteren reitsportlichen Ambitionen wurden jäh am 15. Juli 1934 gestoppt. Bei einem Military-Wettkampf in Döberitz verunglückte von Langen schwer. Wenige Tage später – am 3. August 1934 – erlag der herausragende Reiter seinen Verletzungen. Sein „Lieblingspferd“ war dabei Hanko, auf dem er bei den internationalen Reiterspielen in Malmö und beim deutschen Spring-Derby ritt.
 
Military-Gold für Ludwig Stubbendorff 1936
 
Aber nicht nur im Dressur-, sondern auch im Vielseitigkeitsreiten hat Mecklenburg und Vorpommern eine gute olympische Tradition. Die ersten olympischen Goldmedaillen erkämpften die deutschen Vielseitigkeitsreiter übrigens 1936 in Berlin – dank eines gebürtigen Mecklenburgers. Ludwig Stubbendorff, 1906 in Turloff/Dabel geboren, siegte auf „Nurmi“ vor dem Amerikaner Earl Foster Thomson und dem Dänen Hans Lunding. Auch die deutsche Mannschaft erkämpfte Gold vor Polen und Großbritannien.
 
Unter den fünf olympischen Ringen – weitere Reiter aus M-V
 
Und es gibt weitere Reitsportler aus MV, die unter den fünf olympischen Ringen starteten. Der 1938 in Sietow/Röbel geborene Horst Köhler wurde 1968 Olympia-Fünfter im Einzel und Olympia-Vierter mit der DDR-Dressur-Equipe. In München 1972 konnte er mit dem DDR-Dressur-Team dann Rang fünf belegen. Unter anderem war er auch Vize-Europameister 1969 und WM-Dritter 1970 mit dem DDR-Team.
 
Die Goldmedaille in der Dressur 1968 sicherte sich Iwan Kissimow (Sowjetunion) vor Josef Neckermann bzw. Reiner Klimke (beide Westdeutschland). In der Mannschaftswertung siegte Westdeutschland. In München hingegen gab es für Westdeutschland den Erfolg im Einzel durch Liselott Linsenhoff vor Jelena Petuschkowa (Sowjetunion). Die Dressur-Team-Wertung ging an die Sowjetunion vor Westdeutschland.
 
Aus Willershausen/Grimmen stammt hingegen Rudolf Beerbohm, Jahrgang 1941, der zum Beispiel 1972 in München in der Military mit seinem Pferd „Ingolf“ Elfter im Einzel und Fünfter mit dem DDR-Team wurde.  Beide olympischen Goldmedaillen erkämpfte in der Military 1972 Großbritannien, wobei Richard Meade die Einzelwertung als Erster abschloss. Das westdeutsche Military-Team, unter anderem mit Harry Klugmann 1940 im pommerschen Stolp (heute Slupsk/Polen/Woiwodschaft Pommern) geboren, schaffte 1972 Bronze.
 
Ein weiterer Olympia-Reitsportler ist Gerhard Brockmüller aus Darchau, der folgende Resultate bei Olympischen Spielen vorweisen kann: in Mexico-City 1968 im Dressur-Einzel Zwölfter bzw. mit dem Dressur-Team der DDR Vierter sowie in München 1972 im Dressur-Einzel Dreizehnter und mit dem Dressur-Team der DDR Fünfter.
 
Des Weiteren ist Rolf Günther, der sich zwischen 1990 und 2021 große Verdienste um die Entwicklung des Landgestütes Redefin erwarb, zuletzt als dortiger stellvertretender Leiter, ein bekannter Reitsportler. Er wurde in Sopot, bei den Wettkämpfen der Freundschaft im Reitsport 1984, Dritter mit dem damaligen DDR-Team im Springreiten.
 
Nominiert und dann leider nicht dabei
 
Zur nominierten deutschen Vielseitigkeits-Mannschaft für die Olympischen Spiele 1992 in Barcelona gehörte auch der Mecklenburger Christian Zehe aus Sanitz. Leider starb sein Pferd Gallus nach dem letzten Training kurz vor den Spielen… In Barcelona war dann Matthew Ryan (Australien) vor Herbert Blöcker vom deutschen Team bzw. Blyth Tait (Neuseeland) erfolgreich. In der Team-Wertung belegte Australien vor Neuseeland und Deutschland Rang eins.
 
Paris 2024 im Blickfeld
 
Nun gilt es jedoch, bei den olympischen Reitsportwettbewerben vom 27.Juli 2024 bis 6.August 2024 maximale Erfolge zu erreichen. Auch für Andre Thieme... 
 
EXKURS
 
Weitere pferdesportliche Traditionen in Schwerin und in Redefin
 
Pferdesportliche Traditionen hat auch Schwerin: Der Verkauf von Pferden aus dem Großherzoglichen Gestüt des Schweriner Marstalls für „Dressur-Wettbewerbe“ in Deutschland erfolgte seit 1818. Erste „Dressur-Wettstreite“ wurden in Schwerin im Jahr 1846 ausgetragen. Zwischen 2011 und 2015 war Schwerin auch Gastgeber von Springreit-Turnieren in der Schweriner Sport- und Kongresshalle.
Das Landgestüt in Redefin wurde bereits 1812 gegründet, nachdem es dort sogar seit 1710 ein landesherrschaftliches Gestüt gab.
Seit mehr als 200 Jahren hat der organisierte Galopp-Rennsport in Bad Doberan eine gute Heimat. Bereits 1804 fanden erste Pferderennen bei Bad Doberan statt und offiziell gibt es dort seit 1822 eine Galopprennbahn.
 
M. Michels