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Trainer und Trainerinnen
aus Berufung

Frank Hildebrandt und die Optimisten

Ein eigenes Büro im Warnemünder Yachthafen besitzt Frank Hildebrandt nicht. Wenn Papierkram anfällt, erledigt er den meistens aus dem Homeoffice. Ohnehin ist er viel lieber draußen, am liebsten auf dem Wasser. Vor allem jetzt, wo sich die Räumlichkeiten des Landessportbundes M-V inmitten einer großen Baustelle befinden, weil der LSB eine neue Sportschule baut, in der inklusive eines Bundesstützpunktes Segeln alles Platz finden soll, was für Mecklenburg-Vorpommerns Segler und Gäste aus aller Welt wichtig ist. Und für alle anderen Fachverbände im Land. „Gerade fehlen hier Umkleiden, Räume für Theorie oder Kraft und Athletik. Aber wenn alles fertig ist“, sagt Hildebrandt, „haben wir hier eigentlich perfekte Bedingungen, vor allem, weil wir nur drei Minuten brauchen, um die Boote ins Wasser zu schieben und sofort am Trainingsort sind. Das ist nicht überall so.“ Irgendwann im nächsten Jahr soll die neue Heimat bezogen werden können.

Auch dann wird Hildebrandt noch die Optimisten betreuen. Denn das ist, wie er selbst sagt, „meine Berufung“. Seit August 2020 macht er das als Sichtungstrainer des LSB, davor war der heute 50-Jährige als Honorartrainer für den Seglerverband M-V im Einsatz. „Ich bin vor 15 Jahren über meine Tochter wieder zum Segeln gekommen“, erinnert sich der gebürtige Rostocker. „Zuerst ganz klassisch als Ehrenamtler beim Yachtclub Warnow, doch es wurde von Jahr zu Jahr mehr, bis vor ungefähr sieben Jahren dann die Frage kam, ob ich nicht gegen ein Honorar eine Bootsklasse übernehmen möchte.“

Es wurden die Optis, die Jüngsten im Segelboot. Zwischen 8 und 15 Jahren sind die Kinder in den 2,30 Meter langen Jollen in der Regel. Aktuell betreut Hildebrandt die acht Besten des Landes, das Opti Team MV, was früher der Landeskader war. Momentan gehören die meisten davon eher den jüngeren Jahrgängen an. „Es ist meine Aufgabe, die Kids mit einer möglichst breiten Grundlagenausbildung in die nächste Bootsklasse zu schicken“, so Hildebrandt. Sein Ziel: „Wenn ich es schaffe, sie unter die ersten 50 in Deutschland zu kriegen, ist das in dem Alter völlig in Ordnung. Es ist nicht entscheidend, mit 13 Weltmeister zu sein, sondern mit 18 noch Bock zu haben, Weltmeister in einer großen Bootsklasse zu werden oder zu Olympia zu fahren.“

Im Jüngstenbereich kann M-V auf eine sehr breite Basis zurückgreifen. Doch die dünnt sich auch stark aus. „Das erste Mal beim Übergang in die 10. Klasse, dann nochmal nach dem Abitur. Von 20 bleibt nur einer über, nur die, die Aussicht auf Erfolg haben.“ Also die, die es in die Jugendnationalmannschaft schaffen. „Nur zum Mitfahren bleibt keiner, dafür ist der Aufwand an Material, Zeit und Logistik zu groß.“ Auch diesbezüglich muss Hildebrandt schon bei den Jüngsten aufpassen. Er schildert: „Im Segeln läuft das Sichten anders ab als vielleicht beim Schwimmen oder in der Leichtathletik. Ich kann nicht an die Schulen gehen, die Körper vermessen und sagen, das wird ein guter Segler. Ich habe nichts davon, wenn einer die optimalen körperlichen Voraussetzungen mitbringt oder das größte Talent, die Eltern aber null Beziehung zum Sport haben.“ Oder nicht die finanziellen Möglichkeiten. Denn, das lässt sich nicht verleugnen: Segeln ist kostenintensiv.

Entsprechend anders läuft die Talentsichtung bei Hildebrandt ab: „Ich versuche, bei allen Kinder- und Jugendveranstaltungen im Segeln in M-V dabei zu sein und gucke, ob da ein Sieben-, Acht- oder Neunjähriger dabei ist, der gut im Boot sitzt, die Bewegungen und auch ein bisschen Gespür für Wind und Wetter hat. Und eben das passende Elternhaus.“ Vor allem das viele Reisen mache den Sport teuer. „Wir laden ein Boot auf einen Anhänger und fahren damit 1.300 Kilometer zum Wettkampf oder ins Trainingslager. Dazu kommen Übernachtungen.“ Fördermöglichkeiten gibt es in diesem Alter keine, weil sich erst spät herauskristallisiert, wer am Ende durchkommt. 
Zuletzt war Hildebrandt mit seinen Optis in Slowenien im Trainingslager. Im Winter geht es nach Südfrankreich. Etwa 150 Tage im Jahr ist er auf Achse, in Deutschland und ganz Europa. „Die Ostsee vor Warnemünde, das sagen viele, ist wegen seiner gleichmäßigen Winde und Wellen im Sommer zwar das schönste Segelrevier der Welt, aber im Winter ist es hier eben auch kalt“, sagt Hildebrandt. Mittlerweile könne man auch hierzulande das ganze Jahr durchsegeln – „zum Segeln gehören auch Leidensfähigkeit und Durchhaltevermögen“ – nicht aber jedoch in den Umfängen, die nötig wären. „Meine Grenze sind vier, fünf Grad. Da kann man dann vielleicht zwei kurze Einheiten am Tag machen. Für ein zweiwöchiges Blocktraining muss man dann aber in den Süden.“ Natürlich könne im Winter viel im theoretischen Bereich und an der Athletik gearbeitet werden. „Am Ende des Tages zählen aber die Wasserstunden.“ Wer mit 20 noch segelt, verbringt zwei Drittel des Jahres nicht in Deutschland, weiß Hildebrandt, der als Jugendlicher selber segelte, aufgrund von Knieproblemen aber nie den Weg in den Leistungssport fand. Profis seien nur noch wenige Wochen hier. „Da steht alles hinten an, es bringt viele Opfer mit sich.“ Dabei können sich am Ende nur sehr wenige belohnen. Zu den Olympischen Spielen, dem nahezu einzigen Event, das hierzulande größere mediale Beachtung findet, fährt aus jeder Bootsklasse nur einer – oder eine – aus Deutschland. „Der Zweite ist der erste Verlierer.“

Sich dafür zu motivieren, ist hart. Das sei den Jüngsten aber bewusst, so Hildebrandt. „Sie sollen erstmal aber auch Spaß haben. Es ist ja nicht das Schlimmste, Kindern ein Hobby beizubringen.“ Dabei gebe es manchmal Probleme mit Eltern, die den schnellen Erfolg wollen. „Aber in meiner Bootsklasse ist es so, dass die meisten Erfolgreichen mit 16 aufhören, weil ein langsamer Aufbau fehlte, sie zu früh zu viel Gas gegeben haben und dann ausgebrannt sind. Das ist für mich am Thema vorbei, eine gewisse Langfristigkeit ist das Ziel.“ Anders sei das Thema Leistungssport, um das es am Ende auch geht, ohnehin nicht realisierbar.

„Ich mache das hier, weil ich das liebe. Ich habe mir eine Aufgabe gesucht. Die mache ich jetzt und will sie auch für den Rest meines Lebens machen.“

Deshalb lässt es Hildebrandt in seiner Gruppe etwas ruhiger angehen. „Ich arbeite gerne mit den Jüngsten, da kann man am meisten bewegen, auch ohne zu übertreiben.“ Die Zeit zwischen 12 und 15 seien entscheidende Jahre. „Man prägt die Kinder, gibt ihnen einiges mit, nicht nur Segeln. Man formt sie auch ein bisschen als Mensch, vermittelt Werte“, sagt er. „Ich mache das hier, weil ich das liebe. Ich habe mir eine Aufgabe gesucht. Die mache ich jetzt und will sie auch für den Rest meines Lebens machen. Noch 10, 15, vielleicht 20 Jahre. So lange es die Gesundheit eben erlaubt.“

Sebastian Lindner
Fotos: Georg Scharnweber

Steckbrief

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  • geboren und wohnhaft in Rostock
  • Jahrgang 1972 (16.3.1972)
  • Ausbildung:
    gelernter Immobilienkaufmann
  • Trainerlizenz:
    B-Lizenz / A-Lizenz in Arbeit)
  • seit August 2020 Sichtungstrainer für den LSB an der Sportschule Yachthafen Warnemünde 

„Es ist meine Aufgabe, die Kids mit einer möglichst breiten Grundlagenausbildung in die nächste Bootsklasse zu schicken“

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